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Meine Gedanken an dieser Stelle zum Buddhismus

Eine Auffälligkeit des Buddhismus ist, dass sich viele Aussenstehende mehr Gedanken über ihn machen als die Buddhisten selbst, das geht aber wohl allen Religionen so. Ein weiteres Merkmal ist, dass der Buddha nie etwas schriftlich hinterlassen hat, auch das ist in anderen Religionen so. Aber im Gegensatz zur Bibel und dem Koran hat der Buddhismus kein Glaubensbuch, in dem ein Glaubensdiktat vorgegeben ist. Und so kann jeder, der sich berufen fühlt, eine neue Richtung einschlagen und andere anerkennen oder ablehnen.

Das Thema Religion ist wohl auch für mich nicht so, dass ich hier nur eigene Erkenntnisse zum Besten geben kann, sondern dass ich mich hier der Erkenntnisse anderer – Philosophen, Religionswissenschaftler und Religionslehrer – bediene.

Georg Krauskopf, der u.a. das Buch „Die Heilslehre des Buddha“ schrieb, hat sich nach eigenen Angaben fast 30 Jahre mit dem Buddhismus beschäftigt. Er selbst bezeichnet den Buddhismus als Heilslehre. Und Buddha nicht als Gott, sondern Buddha ist ein Name, und so muss es heissen „Der Buddha“. An anderer Stelle aber spricht er von dem Buddha als Religionsstifter und von dem Buddhismus als einer der Weltreligionen.

Auch der Dalai Lama, der ja der Vertreter des nördlichen oder des Mahayana Buddhismus ist, im Gegensatz zu dem in Thailand geübten südlichen oder Theravada Buddhismus – spricht von dem Buddhismus als einer der führenden Religionen der Welt. Der Satz, der mich in seinem “ Das Buch der Menschlichkeit“ am meisten beeindruckt, ist, dass er den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Anspruch der Religion auf die reine Wahrheit und der Realität mit ihrer Vielfalt an Glaubensbekenntnissen für sich selbst löst, indem er sich klarmacht, dass es für den einzelnen Menschen tatsächlich nur eine einzige Wahrheit und daher auch nur eine einzige Religion geben kann, wohingegen aus dem Blickwinkel der gesamten Menschheit das Konzept von vielen Wahrheiten innerhalb vieler Religionen akzeptiert werden müsse. Am Bild des Arzneimittels sagt er: Im Fall eines bestimmten Patienten ist in der Tat nur eine bestimmte Medizin die richtige.

Vor einiger Zeit erzählte mir jemand die folgende Geschichte.

Meine thailändische Freundin hat vor einigen Monaten auf tragische Weise ihren 6-jährigen Sohn verloren – in einem dieser Wahnsinns- Verkehrsunfälle. Seitdem hat sie auf meinem Kühlschrank eine Art Opferschrein errichtet mit Schuhen, T-shirt, Schokolade, Dose Cola etc…
Sie erklärte mir, dies wäre eine Art “Anlaufpunkt” für den Geist (Seele?) ihres Kindes.
Ich habe kein Problem damit und helfe ihr da durch, so gut ich kann, doch war ich etwas verwirrt, da ich eigentlich dachte, dass derartiger “Geisterglaube” mit Buddhismus als solchem nichts zu tun hat…
Noch etwas: Eine ‚Trauer‘ oder Verhaltensänderung, wie ich es in Deutschland erwarten würde konnte ich nicht bemerken. Sie wirkte so unbeschwert und positiv-fröhlich wie auch davor.

Und er bat mich um meine Gedanken dazu, die ich ebenfalls hier niederschreibe.

Ich mache dies gerne, obwohl ich nur eine von vielen möglichen Antworten geben kann. Denn für mich, der ich ja seit nun mehr als 40 Jahren mit Thailand verbandelt bin, ist so vieles, was anderen Kopfzerbrechen bereitet, so selbstverständlich wie der Umgang mit den drei Fußpedalen beim Autofahren. Man tut es ohne darüber nachzudenken, warum es so sein muß. Auf der anderen Seite ist es so, daß auch einfache Handlungen nicht einer festgeschriebenen Regel unterworfen sind. Es gibt nun einmal keine jedermann zugängliche geschriebene Bibel, alles ist nur mündlich überliefert. Und so kommt es vor, daß sich die Lehre in einzelnen Fällen unterscheidet nach der Richtung, aus welcher der Abt des Dorfklosters kommt, wo er seinen Glauben erfahren hat und wie er in der Lage ist, ihn weiter zu geben. Und deshalb ist auch die Meinung zu bestimmten Riten unterschiedlich. Stell dir vor, ein Kind fragt seine Mutter: „Was tut Gott den ganzen Tag?“. Frage danach 20 Kinder, die ihrer Mutter die gleiche Frage stellten, nach der Antwort und es wird dich nun nicht überraschen, daß 20 verschieden formulierte Antworten zu hören sind.

Bitte vergleiche einfach die Situation:

Meine Frau hat einen Hauptaltar in unserem Wohnzimmer. Darunter auf einem Schrank bewahrt sie Sarong und Bluse ihrer Mutter auf, die diese auf dem Sterbebett getragen hatte. Dazu kommen Räucherstäbchen und weitere Zugaben. Sie halten nicht die Erinnerung wach, sondern diese Sachen gehörten der Lebenden, die sie jederzeit an diesem Ort wiederfinden kann.
Sie war in der Sterbestunde bei ihrer Mutter und hielt sie im Arm. Aber nach der Einäscherung und Beisetzung war das Gefühl nicht mehr das der Trauer, sondern der – ich muß überlegen – Zufriedenheit, daß die Mutter erlöst war, daß sie alles getan hatte, ihr das Sterben zu erleichtern und sie im Sinne der Lehre des Buddha alles für sie getan hat. Der Tod ist ja nicht das Ende aller Dinge, der geliebte Mensch weilt ja weiter unter uns in einer anderen Form oder Gestalt. Und wir halten das auch so mit dem Andenken an unsere Tochter, die an Weihnachten 2013 an Krebs verstarb. Sie hat eine kleine Gedenkstätte in unserem Wohnzimmer, und jeden Morgen zünde ich vor ihrem Bild eine kleine Kerze an. So halten wir die Erinnerung an sie wach, geben ihr das Licht und damit die Helligkeit, bei uns zu sein. Ich habe nicht die Absicht, damit jemals aufzuhören.

Es ist kein Geisterglaube nach unserer -westlichen- Auslegung, sondern der Glaube an die Wiedergeburt, die ja Grundlage des Buddhismus ist,  auch wenn diese Wiedergeburt nicht das Wünschenswerte ist, denn die Buddhisten suchen ja die Erlösung vom Leiden durch den Eingang ins Nirwana, und wiederkehrendes Leben ist wiederkehrendes Leiden.

Ich bin eigentlich ein Mensch, der mitten im Leben steht, der bei seinen Handlungen auch nicht an Religion denkt oder an das, was „man“ tut oder tun muß. Aber der Buddhismus ist mir so in Fleisch und Blut übergegangen, weil ich meine Frau beobachtete, von ihr lernte, bis ich eines Tages einfach das innere Verlangen hatte, für eine Zeitlang Mönch zu werden. Und es verlangt mich nicht danach, den Riten und Zeremonien in Tempeln nachzueifern, das hat der Buddha eigentlich auch nie verlangt. Es ist eher so, daß der Sangha, also die Mönchsgemeinde, vor vielen Jahrhunderten bestimmte Verhaltensformen einführte, um auch die einfachen Menschen mit der Lehre vertraut zu machen und sie näher zu bringen durch das eigene Beispiel. Und bei allen Religionen spielten diese Zeremonien bei den Zusammsein eine große Rolle. Denken Sie an die feierlichen Gottesdienste in den christlichen Kirchen an den hohen Festen oder die Pilgerfahrten zur Kaaba mit Umrundung dieses islamischen Heiligtums.