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Was ist denn eigentlich Religion?

Es gibt keine allgemein anerkannte Definition von Religion, sondern nur verschiedene Versuche der Definition. Grob lassen sich substantialistische und funktionalistische Ansätze unterscheiden. Substantialistische Definitionen versuchen, das Wesen der Religion etwa in ihrem Bezug zum Heiligen, Transzendenten oder Absoluten zu bestimmen.

Das lateinische Wort religio wird von Cicero als sorgfältiges Achthaben und gewissenhafte Pflichterfüllung gegenüber von Göttern angesehen. Im Griechischen entspricht der Ausdruck eusebeia der Gottesfurcht und Frömmigkeit. Das indische Wort dharma (Skrt) oder dhamma (Pali) meint „das, woran man sich zu halten hat“, nämlich das Gesetz.

Vielfach erfolgt die Definition aus Sicht einer bestimmten Religion, zum Beispiel von Seiten des Christentums. Eine der berühmtesten und oft zitierten Definitionen von Religion stammt von Friedrich Schleiermacher und lautet: Religion ist „das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott“.

Die Definition aus Sicht eines Jesuiten lautet: „Verehrung geistiger, außer und über der sichtbaren Welt stehender persönlicher Wesen, von denen man sich abhängig glaubt und die man irgendwie günstig zu stimmen sucht“.

Ist denn nun der Buddhismus eine Religion?

Diese Antwort hängt mit dem zuvor Geschriebenen zusammen: wie definiert man Religion?

Wenn der Glaube an einen Schöpfergott zur Religion dazu gehört, ist der Buddhismus definitiv keine Religion, denn er kennt einen solchen Gott oder solche Götter nicht.

Wenn es aber bei einer Religion ganz allgemein darum geht, sich mit etwas Höherem in Verbindung zu setzen, das noch außer Reichweite jenseites des eigenen Horizontes liegt, dann ist das Befolgen der Buddhalehre in der Tat eine religiöse Aktivität.

Viele Ansichten und Lehrmeinungen, die heutzutage unter dem Etikett „Buddhismus“ angeboten werden, vertreten den Standpunkt, es sei völlig ausreichend, wenn wir uns in unserer Praxis auf das beschränken, was wir schon wissen, sehen,können. In einem solchen Fall ist es durchaus korrekt, den Buddhismus als eine Philosophie, eine Therapie, ein System von Lebensratschlägen oder als ein Wellness-Programm zu betrachten.

Aber wir sollten nicht glauben, dass wir mit einer derart begrenzten Herangehensweise das Ziel erreichen werden, von dem der Buddha gesprochen hat: die völlige Befreiung von allem Leiden!

Wie bereits erwähnt, ist unser gesamtes Erleben, unser Dasein, von einer grundlegenden Unwissenheit oder Blindheit infiziert, die es uns unmöglich macht, unsere Situation so zu erfassen, wie sie wirklich ist. Im Grunde können wir die Buddhalehre nur sehr oberflächlich verstehen, weil sie dem völlig widerspricht, wie wir uns und unseren Platz in der Welt gefühlsmäßig erleben.

Wir stecken in einem Dilemma. Wir haben ein Problem, aber Teil des Problems ist, dass wir das Problem nicht erkennen können. Wir wissen nicht, wo es herkommt und wie es zu lösen ist. Um diesem Dilemma zu entkommen, ist die Ausrichtung auf eine Instanz notwendig, die dem Dilemma nicht mehr unterliegt.
Das erfordert ein Abrücken vom Dünkel und der Ansicht, alles selbst meistern zu können, schon Bescheid zu wissen. Die emotionale Grundlage für diese bescheidenere, respektvollere Haltung ist Hingabe.

Das ist kein kriecherisches Gefühl der Minderwertigkeit, sondern eine freudvolle, kraftvolle Zuwendung zu etwas Wertvollem, das uns da in Form der Buddhalehre begegnet ist. Hingabe besteht aus Vertrauen (saddha*), Inspiration (pasada*), Freude (pamojja*) und schafft ein Klima, in dem wir uns auf die Führung durch den Buddha und seine Lehre einlassen können, um unseren Begrenzungen zu entkommen. Hingabe ist der Boden, auf dem auch die Meditationspraxis gedeiht und sich unser Herz leicht sammeln lässt.

Somit steht für mich fest, dass der Buddhismus eine Religion ist.

(* siehe auch Buddhismuswiki )