
Das Schicksal des Mädchens Nang
Nun hat er wieder ein Problem, denn Nang, das Mädchen aus Bangkok, ist schwanger, und sie hat keinen Mann. Ihre Familie hat ihr das Haus verboten. Ist doch selbst Händchenhalten in der Öffentlichkeit verpönt. Und nun gar dies! Ich habe mich heute morgen mit ihr unterhalten. Ich spreche zwar leidlich Thai, aber sie nicht, denn die Sprache hier ist ein Lao-Dialekt, den ich noch sehr wenig verstehe. So haben wir uns mit Englisch beholfen, und meine Frau hat mir da gedolmetscht, wo es nicht mehr weiterging. Ich habe sie nach ihren Erfahrungen ausgefragt, und sie vertraute mir nach einiger Zeit und gutem Zureden ihre Erlebnisse an.
Zuerst hatte sie wirklich eine Stelle bei einem Schneider in Bangkok, später in Pattaya. Dort sah sie, was die Mädchen aus den Bars verdienen konnten, in welch vermeintlichem Luxus sie leben. Das war doch etwas anderes als zuhause. Und sie dachte, ihrer Familie könne es doch egal sein, woher das Geld stammt, das sie nach Hause schickt.
Abends in die Kneipe galt es Maulhalten für die gemieteten Girls, die sollen sich im Bett austoben. Jetzt gibt’s erstmal Bier, ne flotte Skatrunde, Maulaffen feilhalten..:”Mensch, hat Deine auch so einen …?” und dabei einen bedeutungsvollen Klaps auf den Popo, gerade so, wie man einen Hund tätschelt.
Kaum einer war wirklich gut zu ihr, hat ihr auch mal das Frühstück bezahlt oder mal ein Tüchlein geschenkt. Wurde sie gerade nicht gebraucht, stellte man sie einfach in die Ecke. Verstanden hat sie erst keinen, später erst, als sie etwas Englisch gelernt hatte und Deutsch. Sich selbst verstand sie auch nicht mehr, aber sie konnte nicht mehr zurück. Die Stelle beim Schneider war weg, er wollte auch keine solche. Schulden hatte sie, die Zimmermiete, in der Bar, bei anderen Mädchen. Über einen Zuhälter wollte sie nicht reden; vielleicht hatte sie wirklich keinen. Doch jetzt, wo sie sichtbar schwanger ist, kann sie auch nicht mehr im Gewerbe arbeiten. Und so ruhte ihre ganze Hoffnung auf der Familie. Vergass sie wirklich, welche Schande sie über sich und die Familie gebracht hatte?
Vielleicht wird ihr der Abt, vielleicht der Dorfälteste helfen. Ich kann es nicht.
Eines ist gewiss, im Paradies lebe ich hier wirklich nicht.
Kurt Singer
geschrieben im Mai 1990 über einen Aufenthalt 1986