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Eine nicht ganz gewöhnliche Begegnung – Schicksal in Pak Thong Chai

Heute fahre ich mit den Kindern zur Mall und besuche das Schwimmbad. Es ist, wie an anderer Stelle schon erwähnt, wirklich besuchenswert und die Kinder haben ihren Spass. Später treffe ich mich auch noch mit meiner Frau, die dann weiter für die Kinder sorgt. Ich möchte für meine Brille einen getönten Vorsatz kaufen, der mir in der Mall überall fuer etwa 250-300 Baht angeboten wird. Auf dem Rückweg von Lotus, in dem ich Teile für den Haushalt gesucht habe, komme ich an einem Optiker direkt neben The Mall vorbei und gehe einfach mal hinein. Dort wird mir dieser Vorsatz für 180 Baht innerhalb von 20 Minuten gleich angepasst. Das ist absolute preiswert, und ich hole meine Frau ebenfalls nach hierhin. Sie hat Probleme mit ihrer Brille, die sich an ihren Wangen reibt. Ein Hinweis darauf, dass sie in letzter Zeit auch im Gesicht etwas zugenommen hat ist an dieser Stelle absolute unangebracht. Man setzt ihre Gläser einfach in ein neues Gestell, und sie ist absolut happy. Das Ganze dauert etwa 1 Stunde, und ich werde in dieser Zeit in der Mall einen Kaffee trinken gehen.

Als ich das Cafe betrete, fällt mir unwillkürlich ein Satz eines Berliner Freundes wieder ein: … und hinter jeder Theke steht eine Miss Thailand. Auch hier ist es so, und diese Miss Thailand hinter der Kaffeetheke kann auch noch Capuccino herstellen vom Feinsten. Ich setze mich mit meiner Tasse an einen Tisch am grossen Fenster zur Passage, und mir stockt für einen kurzen Augenblick der Atem. Ist die Kaffeeteuse eine Miss Thailand, so sitzt jetzt am Nebentisch Miss Universum. Ich glaube nicht, dass sich in meiner Erinnerung ein vollkommeneres Thaigesicht versteckt, und ich kann den Blick kaum von dieser Frau lösen, vermeide aber nach bestem Können, sie anzustarren. Als sich einmal unsere Augen treffen, legt sich ein feines Lächeln auf ihr Gesicht, ganz so als wüsste sie, was mich jetzt bewegt und warum.

Ihre zartgliedrigen Finger spielen sanft mit einer kleinen Holzfigur, aber sie macht keineswegs den Eindruck, als langweile sie sich. Als ihr das Figürchen entgleitet und zu Boden fällt, greift sie mit einer etwas linkischen Bewegung danach, hält aber inne und kann es nicht erreichen. Ich stehe auf, hebe es auf und lege es wortlos auf ihren Tisch. Sie bedankt sich in englisch.

Ihre Stimme fasziniert mich außerordentlich, sie ist fein, klar, und sie drückt sich sehr gut aus. Woher ich denn komme, fragt sie mich. Deutschland würde sie sicher gerne einmal besuchen, sie habe schon viel davon gehört. Sie ergeht sich dabei nicht in Phrasen und Floskeln, sondern spricht sehr überlegt, und im weiteren Gespräch bittet sie mich, doch an ihrem Tisch Platz zu nehmen.

Nie hat bei mir eine Tasse Capuccino länger gehalten als diese. Wir erzählen uns, wie es doch bei Gesprächen mit Thais üblich ist, ein wenig voneinander, auch dass sie im letzten Jahr einen Autounfall hatte, erfahre ich von ihr ganz beiläufig. Und ich erzähle ihr, dass meine Frau sich gerade eine neue Brille machen lässt und dass ich es für ein Glück halte, mir dieses Cafe für eine kurze Pause ausgesucht zu habe. Die Zeit vergeht gar nicht sehr schnell. Sie erzählt mir weiter, daß sie Lehrerin an einer Dorfschule war. Der Unfallfahrer hat sie auf der Straße zwischen dem Dorf und dem kleinen Städtchen, als sie auf dem Nachhauseweg war, angefahren und liegen lassen. Erst Stunden später fand ihr Mann sie, als sie nicht wie gewohnt nach Hause kam. Er verließ sie, wollte keinen Krüppel als Frau. Nun kommt sie ständig nach Korat, wo man sie im Krankenhaus weiter behandelt.

Irgendwann geht diese Zeit zu Ende, endet diese kleine Begegnung. Ich verabschiede mich von ihr, sie wünscht mir viel Glück für mein Leben. Diese Frau wünscht MIR viel Glück?

Aus der Passage schaue ich zurück durch die große Scheibe, schaue hin zu ihrem Tisch. Mit einem etwas verlorenen Lächeln hat sie mir auch nachgeschaut, jetzt dreht sie ihren Rollstuhl wieder ganz zum Tisch hin, den Rollstuhl, den sie benötigt, weil sie bei dem Unfall beide Unterschenkel verloren hat und sich noch nicht auf Prothesen bewegen kann.
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Ein Nachtrag aus dem Jahre 2009: ich habe den Kontakt zu ihr nicht verloren. Während meines Aufenthaltes im Juni 2009 besuche ich sie, sie wohnt immer noch in der Stadt nahe Korat. Sie kann inzwischen mit ihren Prothesen sehr gut gehen, und sie ist froh, ihren Beruf als Lehrerin in der kleinen Schule wieder ausüben zu können. Stolz zeigt sie mir ihr Tätigkeitsfeld, “ihre” Kinder, und die Kinder zeigen sich auch froh, sie wieder als Lehrerin zu haben.
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Weiterer Nachtrag 2012: Ich habe sie in diesem Jahr in Pak Thong Chai, das ist diese kleine Stadt in der Nähe von Korat, besuchen wollen. Ihr Haus stand leer. Ich kannte ja ihre Schule, und so bin ich eben dorthin und traf auch den Direktor an. Er machte mir die Mitteilung, dass sie sich inzwischen das Leben genommen hat, nachdem auch ein neuer Lebensgefährte sie verlassen hatte.

Er liess mich dann kurz alleine, damit ich meine Tränen nicht verbergen musste.