Eine nicht ganz gewöhnliche Begegnung – Schicksal in Pak Thong Chai
Als ich das Cafe betrete, fällt mir unwillkürlich ein Satz eines Berliner Freundes wieder ein: … und hinter jeder Theke steht eine Miss Thailand. Auch hier ist es so, und diese Miss Thailand hinter der Kaffeetheke kann auch noch Capuccino herstellen vom Feinsten. Ich setze mich mit meiner Tasse an einen Tisch am grossen Fenster zur Passage, und mir stockt für einen kurzen Augenblick der Atem. Ist die Kaffeeteuse eine Miss Thailand, so sitzt jetzt am Nebentisch Miss Universum. Ich glaube nicht, dass sich in meiner Erinnerung ein vollkommeneres Thaigesicht versteckt, und ich kann den Blick kaum von dieser Frau lösen, vermeide aber nach bestem Können, sie anzustarren. Als sich einmal unsere Augen treffen, legt sich ein feines Lächeln auf ihr Gesicht, ganz so als wüsste sie, was mich jetzt bewegt und warum.
Ihre zartgliedrigen Finger spielen sanft mit einer kleinen Holzfigur, aber sie macht keineswegs den Eindruck, als langweile sie sich. Als ihr das Figürchen entgleitet und zu Boden fällt, greift sie mit einer etwas linkischen Bewegung danach, hält aber inne und kann es nicht erreichen. Ich stehe auf, hebe es auf und lege es wortlos auf ihren Tisch. Sie bedankt sich in englisch.
Ihre Stimme fasziniert mich außerordentlich, sie ist fein, klar, und sie drückt sich sehr gut aus. Woher ich denn komme, fragt sie mich. Deutschland würde sie sicher gerne einmal besuchen, sie habe schon viel davon gehört. Sie ergeht sich dabei nicht in Phrasen und Floskeln, sondern spricht sehr überlegt, und im weiteren Gespräch bittet sie mich, doch an ihrem Tisch Platz zu nehmen.
Irgendwann geht diese Zeit zu Ende, endet diese kleine Begegnung. Ich verabschiede mich von ihr, sie wünscht mir viel Glück für mein Leben. Diese Frau wünscht MIR viel Glück?
Aus der Passage schaue ich zurück durch die große Scheibe, schaue hin zu ihrem Tisch. Mit einem etwas verlorenen Lächeln hat sie mir auch nachgeschaut, jetzt dreht sie ihren Rollstuhl wieder ganz zum Tisch hin, den Rollstuhl, den sie benötigt, weil sie bei dem Unfall beide Unterschenkel verloren hat und sich noch nicht auf Prothesen bewegen kann.
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Ein Nachtrag aus dem Jahre 2009: ich habe den Kontakt zu ihr nicht verloren. Während meines Aufenthaltes im Juni 2009 besuche ich sie, sie wohnt immer noch in der Stadt nahe Korat. Sie kann inzwischen mit ihren Prothesen sehr gut gehen, und sie ist froh, ihren Beruf als Lehrerin in der kleinen Schule wieder ausüben zu können. Stolz zeigt sie mir ihr Tätigkeitsfeld, “ihre” Kinder, und die Kinder zeigen sich auch froh, sie wieder als Lehrerin zu haben.
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Weiterer Nachtrag 2012: Ich habe sie in diesem Jahr in Pak Thong Chai, das ist diese kleine Stadt in der Nähe von Korat, besuchen wollen. Ihr Haus stand leer. Ich kannte ja ihre Schule, und so bin ich eben dorthin und traf auch den Direktor an. Er machte mir die Mitteilung, dass sie sich inzwischen das Leben genommen hat, nachdem auch ein neuer Lebensgefährte sie verlassen hatte.
Er liess mich dann kurz alleine, damit ich meine Tränen nicht verbergen musste.