Schicksalhafte Begegnung

 

Der Anfang war eine Reise in ein mir damals völlig unbekanntes Land.

Eine der Folgen dieser und späterer Reisen war mein Brief an die Redaktion der Reisezeitschrift “reisefieber” auf die Ankündigung hin, einen Bericht über Sexreisen nach Bangkok zu veröffentlichen.

Ein Bekannter war es, der mir erstmals von Thailand erzählte. Boah, ey, da gibts Weiber ohne Ende, da kannste jede Nacht eine andere haben, und das alles zu einem Spottgeld. Das verstand ich, und das wollte ich auch haben.
Ab zu Neckermann, Flug mit Lufthansa in einer damals modernen Boeing B707, Hotel Grace in Bangkok.

Würde heute noch jemand so fliegen wollen: Frankfurt – Rom – Kairo – Dharan – Karachi – Calcutta – Bangkok, zurück über Kuwait und Athen statt Dharan und Kairo. Damits jeder versteht: mit Zwischenlandung dort überall.

Es war Januar, und es war jedenfalls aufregend und nicht langweilig, denn nach jedem Start neue Gesichter, auf jeder Strecke was zu trinken. Neben mir sass mein Schicksal in Form eines völlig fremdartig aussehenden Mannes. Und nach dem dritten Start kam ich mit ihm ins Gespräch. In reinem Hochdeutsch ohne Akzent stellte er sich vor, Thailänder von Geburt, Arzt aus Bangkok, studiert in Heidelberg, kam von einem Ärztekongress in Deutschland. Dieser Mann musste mich doch verstehen! ER musste mir doch die richtigen Tips geben können. Und ich erzählte ihm von meinem Bekannten, von meinen Gedanken, von meinem Drang. Er hörte mir aufmerksam zu, mit freundlichem Gesicht, sass meist leicht vornübergebeugt, um im Lärm meine Dummheiten hören zu können.

Er widersprach mir nicht, und er empfahl mir nichts. Aber er erzählte mir von seinen Eltern und seinen 4 Schwestern, die im Nordosten leben, er war dort aufgewachsen als Bauernsohn, seine Familie hatte ihm Schule und Studium finanziert. Heute finanziert er teilweise ihr Leben. Seine Frau ist auch Ärztin, hat in Bangkok studiert, stammt aus einer besseren Familie aus Udon Thani. Schön das alles, aber wie kriege ich die Mädchen rum? “Die brauchen Sie nicht rumzukriegen, die warten nur auf Sie. Sie werden sich unsterblich verlieben, vielleicht mehrmals, bevor Sie wieder nach Hause fliegen.” Der kann aber Geschichten erzählen, aber es hilft mir eigentlich nicht. Naja, ich werde das schon schaukeln.

Gespräche und Gesprächspartner schlafen langsam ein, denn es liegt eine grössere Strecke vor uns. So richtig kommen wir später nicht mehr zum Reden, Bangkok macht mich langsam nervös. Kurz vor der Landung ein Stück Papier, eine Visitenkarte mit vielen gaaanz fremden Zeichen drauf.

“ Bitte – bitte besuchen Sie mich in Bangkok. Meine Frau möchte sicher gerne einmal wieder deutsch sprechen, sie hat es von mir gelernt. “ Oh, da hörte ich die warnenden Stimmen von zuhause: Schlepper, Nepper, Touristenfänger… Natürlich sagte ich zu, steckte die Karte ein, verabschiedete mich … und vergass.

Nach einer Woche, zwei Tagen und dreimal unsterblich verlieben finde ich in meiner Tasche ein Stück Papier mit vielen gaaanz fremden Zeichen drauf. Zehn Tage Bangkok – also kein Neuling mehr. Ich traue mich.

Das Taxi setzt mich vor einem netten Mehrfamilienhaus ab. Garnichts kann ich lesen, keinen Strassennamen, keine Hausnummer – nichts. Bin ich noch in Bangkok? Es war eine lange Fahrt mit vielen Staus, vielen Kurven, vielen Nebenstrassen, vielen fremden Strassen überhaupt. Ich zeige einem Mann die Karte. Er betrachtet sie und mich von allen Seiten, lächelt mich an und zeigt auf eine Tür.

Ich überspringe die nächsten Minuten, Stunden, Tage. Ich lerne Bangkok kennen, ich lerne die Küche kennen, ich sehe Tempel, Mönche, ich sehe Thaihäuser von innen, sitze bei fremden Leuten am Tisch. Es ist unfassbar. Jemand, der mir vor Tagen noch fremd war, ist mir plötzlich Freund geworden, Begleiter, Führer, Lehrer, Reiseleiter, Erzähler, mir, dem Mann, der aus Deutschland kam, um in Thailand Sex zu finden.

Ich verliebe mich nur noch einmal in diesen Tagen – in Thailand. Später noch einmal, in meine jetzige Frau. Aber das ist eine Geschichte, die ich nicht erzählen werde. Sie findet auch erst zehn Jahre später statt.

Heute sind wir befreundet, er hat sich zur Ruhe gesetzt, wohnt mit seiner Frau inzwischen im Nordosten, zehn Minuten mit dem Auto bis zu unserem Dorf. Er hat mich davor bewahrt, das zu werden, was ich sein wollte.

Er hat in meinem Herzen die Tür zu Thailand aufgemacht. Danke, lieber Freund.

Diese Begegnung fand Anfang 1969 statt und war der Beginn einer lebenslangen Geschichte. Lebenslang deswegen, weil sie mich bis zum Ende begleiten wird.