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Ein unaufgeregter Tag im Dorf

Ich bin inzwischen in die Dorfgemeinschaft integriert. Die Schulkinder kennen mich. Morgens um 8 Uhr, wenn sie zur Schule gehen, machen die meisten den Umweg an meinem Haus vorbei, denn dann bin ich von der Tabakernte zurück und frühstücke auf dem Balkon. Und das ist schon ein seltener Anblick: ein Farang, ein Ausländer also, der auf einem Stuhl an einem Tisch sitzend Kaffee trinkt und dabei Toastbrot isst. Natürlich gab es damals noch keine elektrischen Toaster, und so war das Brot über offenem Feuer “getoastet” worden.

Die Thai unterscheiden nicht zwischen den Mahlzeiten, für sie gibt es immer Reis, Gemüse, manchmal Fleisch dazu, morgens, mittags und abends, und natürlich zwischendurch. Und sie sitzen nicht an Tischen, sondern auf dem Boden. Am Dienstag habe ich Englisch unterrichtet in der 4. Klasse. Nicht, dass mein Englisch sonderlich gut wäre, aber immer noch besser als das der Lehrer. Englisch ist Pflichtfach, seit vier Wochen ist Deutsch Wahlfach für die Dauer meines Aufenthaltes.

24 Kinder haben sich gemeldet, als der Schulleiter dazu aufrief, und seit vier Wochen gebe ich zwei Deutschstunden in der Woche. Es macht Spass, die Kinder sind sehr lernbegierig. Aber mehr geht nicht, denn es darf dafür kein Pflichtfach ausfallen, und nach der Schule müssen die Kinder auf den Feldern helfen, oder im Haushalt, oder das Vieh füttern. Oder die grösseren Kinder müssen auf die ganz kleinen aufpassen, und sie vernachlässigen besonders diese Pflicht nie. Sie sollten einmal sehen, wie diese Kinder miteinander umgehen. Ich habe in meinem Dorf niemals Kinder streiten gesehen, nie ein Kind weinen hören beim Spiel. Aber ob das Lächeln, mit dem mich die Kinder meist bedenken, immer fröhlich ist?

Das kleine Mädchen, das mit der Tragstange zwei volle Wassereimer an mir vorbeiträgt und kaum gehen kann unter der Last, lächelt mich an. Kann sie bei der schweren Arbeit fröhlich sein? Aber sie will sich die Last nicht von mir abnehmen lassen, denn es ist ihre Arbeit, sie ist damit betraut. Es ist Trinkwasser aus dem nahen Brunnen. Nicht, dass das Leben hier ereignislos wäre. Sicher, das Tagwerk ist meist gleich. Mit Sonnenaufgang beginnt die

Feldarbeit. Derzeit wird Tabak geerntet. Die grössten Blätter werden gepflückt, und wenn die Körbe voll sind, trägt man sie nach Hause. Beim Pflücken werden die Hände schwarz, wie mit einer Teerschicht überzogen, denn einmal pro Woche werden die Tabakblätter mit Gift besprüht, sonste fressen die Mücken die ganze Ernte auf. (Seit dieser Reise rauche ich nicht mehr)

Zuhause werden die Blätter zum Trocknen ausgelegt, dann auf Schnüre aufgezogen, erst einmal im Schatten zum Vortrocknen aufgehängt. Beginnen sie braun zu werden, kommen die Schnüre auf Gestelle in die Sonne, werden täglich umgehängt, um eine gleichmässigeTrocknung zu erreichen. Bald kommt der Aufkäufer, der auch den Preis bestimmt. Und nur an ihn darf verkauft werden. Dann ist die Zeit des bangen Wartens vorbei, was wohl der Erlös sein wird. Oft gibt es kaum mehr als 35 Baht für ein Kilo, für gute Ware auch schon einmal 40 Baht. Wir gehören zu denen, die in guten Zeiten an die 600 kg verkaufen können. Die meisten haben nicht einmal die Hälfte davon.

Diese Woche war sehr ereignisreich. Zuerst war die Behelfsbrücke gebrochen. Während der letzten Monsunzeit wurde die Strasse unterspült, und die entstandene Lücke war mit Balken für unseren Dorf-LKW befahrbar gemacht worden. Jetzt waren diese Balken gebrochen. Am Nachmittag, als die Männer von den Feldern zurück kamen, zogen sie mit Schaufeln, Hacken und Beilen los, um die Brücke zu reparieren. Denn es ist der einzige Weg für das Auto, und alle sind darauf angewiesen.

Auch ich helfe mit, und nur der Geistesgegenwart und dem Beil des Dorfältesten habe ich es zu verdanken, dass die Schlange mich nicht beissen konnte, die unter einem Balken hervorschoss, als ich ihn gerade anhob. Wir haben es geschafft, der Weg ist wieder befahrbar.

Abends war ich dann aber sehr erstaunt, als bei einem gemeinsamen Bar-B-Q ein großer Topf über den Flammen hing und mir bedeutet wurde, daß die getötete Schlange ein großer Leckerbissen sei.

Aber ich hatte sowieso keinen Hunger.