Erinnerungen und der Schreck am Pool

Heute habe ich wieder Lust auf Schwimmen. Aber heute ist auch Sonntag, und die Mall wird wieder voll sein. Also mal wieder zum Hermitage Resort trotz der 100 Baht Eintritt. Ich bin schon sehr früh dort und wie erwartet alleine. So kann ich mich in Ruhe einrichten, meinen Liegestuhl nach der Sonne ausrichten, denn ein wenig Körperbräune soll es schon noch sein. Der Pool ist nicht sauber, wie er in Hotelprospekten oft angepriesen wird, aber ständig wird ja auch irgend was hineingepustet vom ständig wehenden Wind, ein paar Blätter, ein wenig Staub. So oft kann auch ein Poolmeister, falls anwesend, nicht abschöpfen. Also lasse ich mich nicht verdriessen und drehe Runde um Runde (naja, kleiner Pool, kleine Runden) und lasse mir anschliessend die Haut bescheinen, bevor ich wieder ins Becken steige. Ein wenig kommt Erinnerung hoch. Damals, als ich mit der ganzen Familie hier gewohnt habe, Frau, Tochter und Enkelkinder, Marko damals 3, Vanessa 6. Die Kinder waren kaum aus dem Wasser zu kriegen und verlangten auch ständig nach dem Opa. Es waren Markos erste Schwimmversuche, und er achtete stets darauf, den Nichtschwimmerbereich nicht zu verlassen. Nun ist der auch durch ein kleines Mäuerchen abgetrennt, von der aus er doch ganz im Vertrauen auf den Opa in meine Arme sprang. Ich vermeine das Jauchzen und Jubeln und Plantschen der Kinder zu vernehmen und ein wenig kommt neben der Erinnerung auch Wehmut auf. Und eine einzelne klitzekleine Träne wird durch das Wasser weggeschwemmt. Wäre ja doch schön, wenn sie jetzt alle hier sein könnten, meine All, meine Mi, welche jetzt, wie wir seit kurzer Zeit wissen, mit Krebs zu kämpfen hat, mein Marko und meine Vanessa. Aber so ist das Leben, und schnell bin ich wieder in der Gegenwart. Und plötzlich bin ich auch nicht mehr alleine. Ein kleiner Stöpsel, vielleicht 3 Jahre alt, steht am Beckenrand und spricht auf mich ein. Ich verstehe nur „Wai Naam“, er zeigt auf sich und auf das Wasser. Er scheint sich hier gut auszukennen, denn er weiss genau, wie weit er die Shorts hochziehen muss, um trocken auf der kleinen Mauer stehen zu können zwischen dem Kinderbecken umd dem grossen Becken, und er läuft mehrmals auf dem Mäuerchen hin und her. Irgendwann ist es ihm egal, er setzt sich bis zur Brust ins Wasser. Ich frage ihn, wo denn seine Mutter sei. „Mae mei mii“. Und der Vater? „Poo mei mii“. Ein kleines Waisenkind alleine am Hotelpool leuchtet mir nicht ein, aber ich bin nicht der Hüter der Welt. Als er sich dann der Treppe zum Schwimmerbecken nähert, sage ich noch zu ihm, dass er vorsichtig sein soll, das Wasser sei sehr tief. Ich weiss nicht, ob er mich versteht, aber ich denke ja, dass er sich auskennt. Aber kurz hinter der Treppe ins Wasser kommt im Becken eine Stufe direkt ins tiefe Wasser. Ich gehe zur Dusche, um ein wenig Angespültes abzuwaschen und höre ihn im Wasser plantschen. Nach vielleicht zwei Minuten verlasse ich die Kabine – und bleibe erstmal erschrocken stehen. Ich sehe das kleine Kerlchen nicht mehr, doch jetzt, mitten im Schwimmerbecken mit etwa 180 cm Tiefe ragen zwei Hände aus dem Wasser, ein kleiner Körper zappelt. Das ist kein Plantschen eines Kindes, da geht es ums Leben. Ich glaube, so schnell habe ich noch nie meinen Hintern in ein Poolbecken bewegt wie jetzt, bin mit wenigen Schritten bei dem Kind, packe es unter den Armen und hebe es hoch. Ein Schwall Wasser kommt aus dem Mund, ein quälender, keuchender Atemzug – ich setze ihn auf den Beckenrand und halte ihn fest. Er atmet, schaut mich aus riesengrossen Augen an. Weiss er, was gerade passiert ist? Wie viel länger hätte ich noch in der Duschkabine bleiben dürfen? Ich weiss es nicht, mag mir nichts ausdenken. Die Poolaufsicht kommt gerade, und als ich ihm erzähle, dass der Kleine alleine hier sein, sagt er mir, dass dessen Eltern im Hotel arbeiten und dass er ihn sofort dorthin bringe. Ich habe keine Lust mehr auf Schwimmen, und ausserdem merke ich, dass ich mir einen, wenn auch kleinen, Sonnenbrand geholt habe. Der zweite an diesem Pool innerhalb einiger Jahre.
 Die Enkelkinder 2005
 nach weiteren Bildern

war mir nicht zumute